Am 11. April 2024 entscheidet der Gemeinderat von Haag/H. darüber, ob er unsere wertvolle, öffentliche Hecke auf dem Hang beim Bahnhofsplatz von einer Privatperson abzäunen lässt und ihr die Pflege überträgt. Ein guter Grund, um sich anzuschauen: Wie geht denn die Pflege einer ökologisch wertvollen Hecke? Welche Risiken hat es für die Gemeinde, diese Pflege auszulagern?
Die Hecke hinter dem Bahnhofsplatz besteht aus einheimischen Sträucher und Bäumen. Zahlreiche Tiere finden hier Nahrung, Plätze zum Nisten & Verstecken, sowie Orte, an denen sie wohnen und von denen aus sie jagen können. Auch zahlreiche einheimische Pflanzen, Pilze und andere Lebewesen finden hier einen Ort zum Sein.
Wie wichtig ist für die Hecke die freie Verbindung zum Bahnhofplatz?
Hecken sind dann besonders wertvoll, wenn sie auf beiden Seiten einen Saum haben und wenn sie angrenzend einen offenen Bodenstreifen oder lückige Vegetation aufweisen.
Der naturnahe, öffentliche Bahnhofplatz an der oberen Hangkante bietet genau das, was eine Hecke noch wertvoller macht: einen offenen Bodenstreifen und lückige Vegetation. Dieser Streifen ist zwar beim Kreisverkehr etwas schmal geraten und es wäre auch wichtig, sich anzuschauen, ob die Pflege das ökologische Potenzial des Saums auch wirklich ausschöpft. Aber es gibt sie: Die wertvolle Verbindung zu offenem Boden, die die Hecke entscheidend aufwertet. Genau diese wertvolle Verbindung würde gekappt werden, wenn der Gemeinderat dem privaten Grundnachbar erlaubt, auf öffentlichem Grund, an der oberen Hangkante einen Zaun aufzustellen.
Die Heckentypen
Es gibt drei verschiedene Arten von Hecken:
- Niederhecken (1-3 m hoch): dichter Bewuchs, viele Verzweigungen, oft hoher Anteil von Dornensträuchern.
- Hochhecken (5-8 m hoch): zusätzlich einige höhere Bäume
- Baumhecken (bis zu 25 m Höhe und 10 m Breite): Hier sind in der Regel die wenigsten Pflegeeingriffe nötig.
Die Hecke hinter dem Bahnhofplatz würde ich irgendwo zwischen Hochhecke und Baumhecke einordnen. Es handelt sich also um einen Heckentyp, der vergleichsweise wenig Pflegeeingriffe benötigt.
Wie aber schaut ein optimale Pflege denn nun aus? Was ist zu tun?
Differenzierte Pflege von Hecken
Niederhecken und Hochhecken
Diese Hecken können entweder alle paar Jahre selektiv ausgelichtet oder alle 6-10 Jahre teilweise auf Stock gesetzt werden.
Wichtig ist dabei, dass die Arten die langsam wachsen geschont werden. Das sind z.B. Weißdorn, Heckenrosen, Pfaffenhütchen und wolliger Schneeball. Für diese ist es am Besten, sie selektiv zurückzuschneiden.
Schnellwüchsige Arten, wie Hasel, Ahorn oder Esche, sollen hingegen regelmäßig auf Stock gesetzt werden – damit in der Hecke auch genug Licht ist.
Baumhecken
Eingriffe in Baumhecken sind etwa alle 10-20 Jahre nötig.
Wenn Baumhecken durchforstet werden, ist es wichtig, etwa zwei Drittel der Baumschicht zu erhalten. Durch Lücken wird die Landschaft durchlässig und es gibt eine Chance für neue Sträucher und Bäume.
Wichtig ist es, dass Bäume, die ökologisch wertvoll sind – z.B. weil sie Baumhöhlen aufweisen – stehen gelassen werden.
Was tun mit dem Totholz?
Totholz ist Lebensraum für ca. 5000 Arten. Es ist daher wichtig, Totholz in der Hecke zu belassen. Wichtig ist dabei, das Totholz langfristig vor Ort zu belassen und regelmäßig neues Totholz hinzuzufügen – damit die Lebewesen die auf ein bestimmtes Totholz-Stadium angewiesen sind, dieses auch kontinuierlich vorfinden. Je vielfältiger die in der Hecke belassenen Totholzsstrukturen sind, desto größer ihr Nutzen.
Die Hecke am Bahnhofplatz weist in Bezug auf Totholz eine vorbildliche Vielfalt auf, wie z.B. Bäume, die in einiger Höhe abgeschnitten wurden, Wurzelteller, und Asthaufen.
Die Übertragung der Pflege der öffentlichen Hecke an eine Privatperson ohne Festlegung von Kriterien für den Umgang mit Totholz (oder gar mit der Bestimmung, dass Totholz entfernt werden muss) birgt die Gefahr, dass die wertvolle bestehende Vielfalt an Totholzstrukturen nicht erhalten und ausgebaut, sondern zerstört wird. Damit würde der ökologische Wert der Hecke geschmälert anstatt erhalten und ausgebaut. Das widerspricht dem Ziel der österreichischen Biodiversitätsstrategie. Diese sieht u.a. vor, dass es in 50% der Gemeinden Massnahmen zur Erhaltung von wildlebenden Arten gibt.
Fazit für die Hecke am Haager Bahnhofsplatz
Fazit: Die Gemeinde erspart sich bei den Sträuchern nicht wirklich viel Arbeit – weil es keine Niederhecke ist. Sie erspart sich bei den Bäumen gar keine Arbeit – weil im Nutzungsvereinbarungsentwurf vorgesehen ist, dass sie diese Art der Pflege weiterhin selber macht. Es ist insgesamt für mich in Bezug auf den Pflegeaufwand nicht wirklich ersichtlich, was denn hier der große Nutzen für die Gemeinde sein soll.
Dazu kommt: Um eine Hecke so zu pflegen, dass sie ökologisch möglichst wertvoll ist, ist wichtig, zwischen schnell- und langsamwüchsigen Sträuchern unterscheiden zu können, da diese eine unterschiedliche Pflege benötigen. Die Person, die die Hecke pflegt, muss also die Sträucher zu kennen, die in ihr wachsen. Ich schätze die Wahrscheinlichkeit dafür bei einer Pflege durch Gemeindemitarbeitende oder von der Gemeinde beauftragten Fachfirmen höher ein als bei einer Privatperson, die beruflich nichts mit der Pflege von Grünflächen zu tun hat und auch kein Interesse an der Betreuung ökologisch wertvollen Hecke geäußert hat – sondern nur an der Errichtung eines Zauns.
In Bezug auf Totholz ist der ökologisch vorteilhafteste Umgang mit Totholz, es so weit als möglich vor Ort zu belassen. Dies hat den Vorteil, dass der Aufwand des Abtransports wegfällt. Auch hier ist also nicht wirklich ein großer Vorteil bei der Auslagerung der Pflege zu erkennen. Vielmehr besteht die Gefahr, dass die Totholzvielfalt geschmälert oder zerstört wird.
Insgesamt ist für mich in Bezug auf die Auslagerung der Pflege des Hanges an den Grundnachbarn im Austausch für das Recht zur Errichtung eines Zauns auf öffentlichem Grund kein wesentlicher Vorteil für die Gemeinde zu erkennen. Gleichzeitig birgt eine solche Auslagerung wesentliche Gefahren für den ökologischen Wert der Hecke. Die Auslagerung der Pflege an den privaten Grundnachbarn birgt also beträchtliche Risiken und nur geringe Vorteile. Sie stellt also kein Argument für die Errichtung eines Zaunes des privaten Grundnachbarn auf öffentlichem Grund dar, sondern vielmehr ein Argument gegen die Errichtung eines solchen Zauns.
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Zum Weiterlesen:
Kleinod bleibt voll eingebunden. Bericht über die Ablehnung des beantragten Zauns durch die Mehrheit des Gemeinderats, 11.4.2024
Kleinod-Müll: Bescheidener Haufen. Untersuchung der Frage: Wie viel erspart sich die Gemeinde, wenn der Grundnachbar das Mülleinsammeln übernimmt. 9.4.2024
Verbinden statt vernetzen. Beitrag zu den Plänen der Auszäunung des ökologischen Kleinods am Haager Bahnhofplatz. 8.4.2024
Quellen:
Differenzierte Pflege. Ökologische Infrastruktur. Birdlife Schweiz. 2022. Abgerufen am 10.04.2024
Biodiversitätsstrategie Österreich 2030+. Bundesministerium Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Abgerufen am 10.04.2024
Veröffentlichung:
Änderungen:
- 11. April 2024: Korrektur Tippfehler:
„neben der Hecke“ statt „heben der Hecke“ - 14. April 2024 Einfügen Link:
Einfügen Link zu Kleinod bleibt voll eingebunden. Bericht über die Ablehnung des beantragten Zauns durch die Mehrheit des Gemeinderats, veröffentlicht am 11.4.2024 - 24. April 2024 Einfügen Infos über am 14.04.2024 vorgenommene Änderung (Einfügen Link)
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